Gottseidank ist Fußball auch so

alterball1"So ist Fußball" ist eine der Plattitüden, die den heutigen Fußballprofis von ihren Rhetorik-Trainern eingebimst wird. Als letzter Ausweg bei allzu investigativen Reporterfragen. Nach dem Spiel der Bayern in Turin kann es jedoch tatsächlich kein anderes Fazit geben: So ist Fußball.

Fußball gucken ist im Allgemeinen wie Lotto spielen. Man gehört schon zu den Gesegneten, wenn man bei 49 Spielen wirklich 6 richtig gute sieht. Am Dienstag Abend war es einmal wieder soweit. Das Achtelfinale der Champions League in der Juventus Arena war ein fesselnder Nervenkitzel, bei dem man lange Zeit sicher war, das Ende bereits zu kennen. Doch dann baute die Regie einen unglaublichen Twist ein, der das ganze Spektakel oscarverdächtig machte.

Natürlich war jedem Betrachter nach 55 Minuten klar, dass dieses Spiel nur einen Sieger wird haben können. Prof. Dr. h.c. fub. Guardiola ersann für diesen europäischen Klassiker eine Versuchsanordnung, die Fußballschlauwätzer à la Erik Meijer zwar vermuteten, weil der spanische Trainerkarajan sie in seinem babylonischen Kauderwelsch ankündigte. Aber das die roten Bayern sie in dieser Konsequenz in einem Achtelfinale umsetzen würden, konnte man als ordinärer Fußballfan bis zu diesem denkwürdigen Abend nicht einmal ansatzweise glauben.

Das Spiel in Turin machte lange Zeit den Eindruck eines Heimspiels der Bayern gegen Eintracht Frankfurt. Die Versuche von Juve irgendwie ins Spiel zu kommen, sahen aus wie der Sonntagmorgenkick alter Männer auf einem Bolzplatz in Essen-Rüttenscheid. Und als der bairische Holländer (für den sich zumindest ein Holländer schämt) den Trick mit Bart auspackte und das 0:2 besorgte, war eigentlich der Zeitpunkt gekommen, an dem Thekentruppen abpfeifen und sich zur Kühltasche mit dem Bier begeben.

Doch Juve hat offensichtlich einen Coach, der mit Fußballschlaumereien nichts am Hut hat. Und: Tatsächlich gibt es auch im Fußball simple Mittel, mit einer Übermacht fertig zu werden. Durch Gallische-Dorf-Taktik hat die angeblich alte Dame ein Spiel gedreht, das schon zu Ende war. Mit purem Willen und Zuschauern im Rücken, die offensichtlich während des Spiels nicht hauptsächlich Handyvideos drehen, Bierholen und Pissen gehen, haben sie dem Torwartautomaten Neuer zwei Dinger reingemonstert.

Erklärungsversuche für diesen Spielverlauf? Halbgar. Unentschlossen rauscht eine nicht haltbare Kimmich-Hypothese durch den Blätterwald und selbst der alte Fußballdeuter Marcel Reif ist gegen Ende des Spiels so verwirrt, dass er nahezu jeden Spieler auf dem Feld Robben nennt.

Am Ende steht also: So ist Fußball. Und das ist großartig. Viele glaubten bereits nicht mehr daran, dass dieser mehr und mehr durchdesignte Sport so etwas noch zu bieten hat. Es gibt sie also wirklich noch, diese So-ist-Fußball-Spiele, die einen wortlos staunend mit leerer Bierflasche zurücklassen. Der Ball ist nun mal rund, dieses Spiel dauerte nicht 60 sondern 90 Minuten und war eine Werbung für den Fußball. Ich freue mich jedenfalls auf meine nächsten 49 Spiele.