Tombo über den diffusen subjektiven Begriff Qualität

Verfasst von Lubi am .

tombo kakaoUnruhr traf den Wiener Offbeat-Athleten Tombo beim Kakao. Dabei schnitten wir heiße Themen an: Was hat Reggae beispielsweise mit italienischen Skirennläufern, Blasmusik und klassischem Klavier zu tun?

Eine Freundin von mir ist aus dem Ruhrgebiet nach Wien gegangen und hatte nach wenigen Jahren bereits eine deutliche Färbung in der Aussprache. Du bist Wiener, aber in deinen Songs akzentfrei. Ist deine Biografie gefälscht?
Das liegt vielleicht zum einen daran, dass meine Mutter aus Lingen an der Ems in Norddeutschland ist und ich zuhause hochdeutsch aufgewachsen bin und sich das irgendwie gehalten hat - zum anderen fühle ich mich musikalisch hochdeutsch anscheinend am wohlsten und freue mich auch, wenn das, was ich mir da aus dem Kopf drehe, verstanden wird.

Wird Reggae auch überall verstanden oder gibt es in Anbetracht der vitalen österreichischen Reggaeszene deeper vibes zwischen Austria und Jamaica?
Puh, ich denke, das wächst überall gleich gut - hängt wohl mehr damit zusammen, was dir im Leben so zufliegt. Das sind ja seltsame Wege, die die Menschen dazu bewegen, zu etwas eine Beziehung zu haben, abseits von dem, was medientechnisch so im großen Stil einem um die Ohren geschlagen wird. Und diese seltsamen Wege, die gibt es glaube ich überall.

Deine neue EP „Raggamuffin Sounds in der Diskostadt" zeigt viele Einflüsse. Dancehall, Roots, Dub auch HipHop und Funk. Wo liegen deine persönlichen Vorlieben?
tombo diskostadt1Mein Boden ist Reggae und Raggamuffin, aber darüber hinaus finde ich einiges interessant und mich interessiert vor allem, was in Kombination wie funktioniert. Der britische Reggae hat mir oft besser gefallen als der jamaikanische, weil da schon mehr Vermischung drin war. Auch Projekte wie die Fugees oder Saian Supa Crew, die verschiedene Einflüsse zusammenbringen, haben mich immer schon gekickt. Ich mag staubtrockene HipHop-Drums im Grunde genauso wie dicke Echonebel, es muss nur in sich stimmig sein und was Authentisches transportieren denn: Es gibt wirklich sehr viel sehr gute Musik und es kommt ständig was dazu, und was am Ende über bleibt sind eben Sachen, die irgendwas einfangen, das berührt und oder bewegt - das ist ganz schwer in Worte zu fassen, finde ich. Hat immer irgendwas mit musikalischer Konsequenz und Eigenständigkeit zu tun und dem diffusen, subjektiven Begriff Qualität.

Du baust häufig auf knackige, präsente Bläsersätze. Dein kommendes Album soll nun komplett mit einer Brass Band eingespielt werden? Kannst du dazu schon mehr verraten?
Brasslines waren schon immer ein Faible von mir. Die sind schon immer ohne größere Anstrengung aus mir raus gesprudelt und irgendwann vor drei Jahren bin ich gesessen und hatte die Idee zu einem Dancehall/Reggae Album, umgesetzt nur mit Gebläse (und Drums), und da gab's inwertig plötzlich flirrende Resonanz. Davor hatte ich nur mal ein paar Songs der Youngblood Brassband gehört - sehr cool auch, aber ich hatte das Gefühl, da ist noch ein weites Feld für Neues. Mittlerweile rühren ja auch andere wie z. B. die Jungs von Moop Mama kräftig um, und das auch auf sympathische und hochqualitative Art und Weise, aber damals war das noch außerhalb meines Horizonts. Also hab ich mein letztes Geld in die Hand genommen und noch mehr und geschaut, dass ich mit den besten nur irgendwie greifbaren Musikern das lässigste Teil zusammen geschraubt bekomme, das mir möglich ist und das gibt's dann im nächsten Frühjahr - anvisiert ist der 27.3.2015 - für jeden zum Anschnuppern und hören. Für mich ist es zur Zeit das Coolste, das mir je passiert ist und ich hoffe, dass sich dann auch noch noch andere finden, denen das gefällt - das weiß man ja nie...

Denkst du bei so einem Projekt und auch grundsätzlich bereits bei den Arbeiten im Studio an eine mögliche Live-Umsetzung?
Das ist unterschiedlich - zunehmend ja. Das Brass Ding war von Beginn an auf eine konkrete Besetzung zugeschnitten und ich habe gemerkt, dass das vieles vereinfacht, sich aus den unendlichen Möglichkeiten von vorne weg auf einen kleinen Ausschnitt zu reduzieren. Irgendwie nötigt das einen anderen kreativen Zugang ab. Bei der aktuellen Diskostadt-Produktion war die reduzierende Komponente das Budget und der Reiz und Versuch einen überwiegenden Teil selbst einzuspielen, von den Drums bis zu den Synths. Da hab ich die Live-Umsetzung weniger im Kopf gehabt.

Ich las von deinem Ausflug in die klassische Musik. Was hat es damit auf sich? Kannst du das in ein paar Worten erklären?
Das ist ein Ding, gewachsen aus meiner Arbeit und Freundschaft mit dem Pianisten Markus Jakisic. Irgendwann hat sich für mich herauskristallisiert, dass Markus die größte Tiefe beim analogen Klavierspiel ohne sonstigen Schnickschnack entwickelt und ich wollte einfach wissen, was passiert, wenn ich das, was mir liegt, mit seinem Besten zusammen tue. Herausgekommen ist eine EP, die ich nicht als Tombo, sondern unter Tombadour veröffentlicht habe, weil's einfach was anderes ist. Nur Raggamuffin und Klavier. Cool daran ist, dass live erstmals die Texte durchgängig an Mann und Frau gekommen sind - war ein erstaunlich belebendes Release-Konzert und ist trotz Experimentalfaktor sehr gut aufgenommen worden.

Gerade auch deine Texte sind ausgefeilt. Woran musst du länger arbeiten? An den Worten oder an der Musik?
Defacto sind für mich die Texte die Herausforderung Nr.1. Sind ja auch gleichzeitig schon Musik und haben so gesehen eine Ebene mehr inside. Die Musik passiert dann auch in einer intensiven Auseinandersetzung bzw. ist manchmal auch schon vor dem Text konkreter - mal so, mal so - kommt aber insgesamt mit weniger Rauch aus meinem Kopf.

Wenn noch Zeit ist, muss noch eine Frage sein: War Tombo der Held deiner Kinderbücher oder was?
Lustig. Nein - den Kinder-Tombo kenn ich noch nicht; bei mir hat sich das ganz klassisch als Spitzname in der späteren Schulzeit ergeben. Da gab's einen erfolgreichen Skifahrer mit Namen Alberto Tomba, der hat einem Freund den Anlass gegeben, mich Tomba zu rufen - das hat sich dann recht bald in Tombo gewandelt und dabei ist es dann geblieben. Meine Kinder nennen mich auch so und einfach gestrickt wie ich bin, habe ich das dann auch gleich als Künstlername verwurstet.

www.tombosound.com

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