Reggae - Bob Marley

Verfasst von Lubi am .

Auch mehr als 30 Jahre nach seinem Tod symbolisiert Bob Marley für die Mehrzahl der Musikkonsumenten den Reggae. Das liegt sicher daran, dass diese Musik lediglich in bescheidenen Maß Eingang in unseren Alltag findet.

Andererseits gibt es bestimmt nur wenige verstorbene Musiker, die im aktuellen Musikgeschehen derart präsent sind wie Bob Marley. 1999 hatte man die Funkstar de Luxe-Versionen von Marley-Klassikern und die von Bobs Sohn Stephen produzierten "virtuellen" Duetts bekannter lebender Künstler mit dem Meister - allen voran Schwiegertochter Lauryn Hill - oft im Ohr.

Bob is everywhere

Robert Nesta Marley wurde am 6. Februar 1945 als Sohn der 19-jährigen Cedella Booker und des fast 50-jährigen britischen Captains Norval Marley im ländlichen Bezirk St. Ann in Jamaika geboren. Der Vater machte sich recht bald nach der Geburt des Sohnes aus dem Staub und Bob wuchs bei seiner Mutter und seinen Großeltern auf. Er beschritt den Weg vieler jamaikanischer Jugendlicher und zog Ende der 1950er Jahre vom Land in die Hauptstadt Kingston. Und wie viele in den wachsenden Ghettos Kingstons träumte er von der großen Karriere im Musikgeschäft.

Seine Mutter konnte ihn zunächst noch davon überzeugen, eine Schweißerlehre zu beginnen. Doch nach seinen ersten Schritten als Musiker war das schnell vorbei, obwohl seine Karriere nicht erfolgreich startete. Seine erste Single "One cup of coffee" war ein glatter Flop. Er lernte Bunny Livingstone und Peter McIntosh (später Bunny Wailer, Peter Tosh) kennen, sie gründeten die Wailers und mit Hilfe ihres Gesangslehrers Joe Higgs gelang ihnen im Januar 1964 der erste Nummer-Eins-Hit in Jamaika: "Simmer down".

Die Wailers trennten sich und fanden wieder zusammen, wurden zu Vorreitern des neuen Sounds Ende der sechziger Jahre, der sich Reggay (Geschichte des Reggae) nannte. In Zusammenarbeit mit dem genialen Lee "Scratch" Perry ab 1969 schufen sie Songperlen und Meilensteine des Reggae, die sie an die Spitze katapultierten. Die Zeit war reif für den internationalen Auftritt. Mit den beiden Alben "Catch a fire" und "Burnin" von 1973 und Stücken wie "Concrete jungle", "Kinky reggae", "Stir it up", "Get up, stand up", "I shot the sheriff" machten die Wailers auch außerhalb Jamaikas deutlich auf sich aufmerksam. Sie schafften es, den ungewohnten Sound mit Rockelementen zu versehen, ohne seine Originalität zu zerstören. Der jamaikanische Reggae war nun zu westlichen Hörgewohnheiten kompatibel.

Doch am internationalen Ruhm zerbrach auch die langjährige Freundschaft von Marley, Tosh und Wailer. Die drei Freunde starteten Solokarrieren, von denen Marleys am erfolgreichsten verlief (Disco-/ Bibliographie). Er wurde zum Superstar. Ein erfolgreiches Album wurde vom nächsten abgelöst, begleitet von ausverkauften Welttourneen mit Höhepunkten wie das Konzert in Mailand 1978 vor 100.000 (!) Zuschauern.

Bob Marley wurde geliebt und von allen Seiten hofiert. Seine rebellische Philosophie machte ihn zum Idol von Millionen Jugendlichen in aller Welt, die auf der Suche nach neuen Werten und Anschauungen waren. Sein Einfluss veranlasste ratlose Politiker, ihn für das "One love peace-Concert" am 22. April 1978 in Kingston zu gewinnen, um dem verheerenden Bürgerkrieg in Jamaika ein Ende zu machen. Die UN verlieh ihm dafür die Friedensmedaille. Sein Kampf für die Gleichberechtigung schwarzer Menschen bescherte Bob Marley eine Einladung, als offizieller Gast neben Prinz Charles und anderen internationalen Würdenträgern, den Unabhängigkeitsfeiern Zimbabwes 1979 beizuwohnen und 60.000 Zuschauer im Stadion von Harare durch ein Konzert zu begeistern, das abgebrochen werden musste, weil noch mehr Menschen Einlass suchten. Der gestürzte Kaiser von Äthiopien, Haile Selassie I. (Rastafari), vermachte nach seinem Tod 1975 Bob Marley seinen Siegelring. Die jamaikanische Regierung verlieh ihm posthum den Verdienstorden (Order of Merit). Sein 60. Geburtstag 2005 wurde mit großen Feierlichkeiten in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba begangen.

Bob Marley konnte auf eine Bilderbuchkarriere zurückblicken als 1981 ein Krebsleiden allem ein Ende bereitete. Am 11. Mai 1981 verstarb Robert Nesta Marley in Miami. Das Begräbnis in seinem Geburtsort Nine Miles in den Bergen Jamaikas war ein Staatsakt und ein Tag nationaler Trauer.

56 Hope Road - Das Marley MuseumBob Marley tat viel für das Selbstbewusstsein der schwarzen Bevölkerung weltweit und er hat der Musik seiner Heimat den Weg zum internationalen Publikum geebnet. Doch trotz seiner schmächtigen Statur hat die Lichgestalt des Reggae einen breiten Schatten geworfen, der vieles was hinter ihm lag, ins Dunkel getaucht hat. Es ist ähnlich wie im deutschen Fußball, in dem etliche an der Genialität Franz Beckenbauers gemessen wurden, ohne zu berücksichtigen, dass sein Aufstieg unter gänzlich anderen Voraussetzungen stattfand. Bob Marleys kometenhafter Aufstieg auf den Gipfel der Rockmusik in den siebziger Jahren war nicht nur die Folge seiner ohne Zweifel riesigen musikalischen Kreativität, seines Talents und seiner Disziplin. Er war dazu zur rechten Zeit am rechten Ort. Die westliche Rockmusik befand sich damals in einer Kreativitätskrise und hatte nichts nötiger als eine Frischzellenkur, die ihr Bob Marley mit seiner Spielart des Reggae mühelos verpassen konnte.

Schon oft wurden Nachfolger gesucht und vermeintlich gefunden. Es ist bei der heutigen Pluralität der Musikstile, der massenhaften Vermarktung und der Schnelllebigkeit des Geschäfts jedoch schwierig für potentielle Kandidaten, in Bob Marleys Fußstapfen zu treten. Was keinesfalls bedeutet, dass der Reggae neben und nach Bob Marley nur Mittelmaß produziert. Das musikalische Potenzial ist auf Jamaika riesig wie sonst nirgendwo, die Innovation und Kreativität kennt dort keine Grenzen. Doch Bob Marley war ein Produkt seiner Zeit und die Wahrscheinlichkeit ist eher gering, dass sich Talent, Wille, Charisma und richtiger Zeitpunkt in solch günstiger Konstellation nochmals zusammenfinden, um den leeren Platz Bob Marleys auszufüllen.

Bob Marley & The Wailers - Die wichtigste Alben (alle Island Records):

Catch a fire (1973), Deluxe Edition (2001) mit den jamaikanischen Originalaufnahmen
Burnin’ (1973), Deluxe Edition (2004) mit bis dahin unveröffentl. Live-Mitschnitt
Natty Dread (1974)
Live (1975)
Rastaman vibration (1976)
Exodus (1977), Deluxe Edition (2001) mit Live-Mitschnitt, Lee-Perry-Sessions 1977 und b-sides
Kaya (1978)
Babylon by bus (Live, 1978)
Survival (1979)
Uprising (1980)
Confrontation (posthum, 1982)
Songs of freedom (einzigartige Sammlung auf 4 CDs mit ausführlichem Begleitheft, 1992)
Chant down Babylon (Bob mit aktuellen Gaststars in modernem Sound, 1999)
Africa unite:The Singles collection (2005)

Bob Marley im Internet: www.bobmarley.com

Fotos: Katja Helten

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Geschichte des Reggae
Sound Systems und Produzenten
Dub, DeeJays und Dub Poetry
Rastafari
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