Gregor Meyle: "Entweder man hat was oder man hat nichts…" oder auch die Bedeutung der Authentizität

Verfasst von Lady Reason am .

onstageMit bester Laune, Gitarre, Vertärker und Familienangehörigen gewappnet kommt Gregor Meyle zum dortmunder Friedensplatz, nachdem für die abendliche Eröffnungsshow am 6. Juni ein wenig geprobt worden war, denn die Herren Gregor, Cosmo, Sasha und Rolf Stahlhofen (Söhne Mannheims) sowie Maya Saban sehen sich ja auch nicht alle Tage, sind sie doch verteilt über mehrere deutsche Metropolen. Im Interview erzählt Gregor Meyle von den Anfängen bei Stefan Raab, über die Authentizität als Künstler, neue und alte Freunde, über seine nachdenklichen Songs, entstanden "in the middle of life" und auch über das brandaktuelle Thema Fußball.

 

Ihr habt gerade schon ein bisschen geprobt für den Showteil Cosmo & Friends?
Gregor: Ja, wir waren in Cosmos alter Wohnung. Der zieht ja jetzt nach Berlin. Das ist so ne alte Industrieanlage und da haben wir geprobt. Die Jungs haben da auch n Studio, das ist schön. Laut war's.

Wie war die Stimmung?
Gregor: Sehr gut! Es wird n sehr schöner Abend!

Das ist ja ein einmaliges Joint Venture, "Cosmo & Friends", wie kam es dazu?
Gregor: Witzigerweise kenn ich Cosmo von Claus - das ist der Produzent Claus Fischer -, der produziert auch Cosmo. Ich hab die beiden zu ner Veranstaltung in Süddeutschland eingeladen, die wir auch gemacht haben, in Schwäbisch-Hall, da wo ich her komme aus der Ecke, und jetzt hatte er die Idee hier mit Sasha, Rolf Stahlhofen und so, und mit den Jungs auf der Bühne zu stehen, das wird echt n schöner Abend.

Fangen wir mal am Anfang an. Wie kam es dazu dass du bei Stefan Raab mitgemacht hast?
Gregor: Das war die letzte Instanz. Ich dachte mit meiner Musik wird's schwierig. Ich glaube, es hätte alles so komplett wie's ist fertig sein können, die Platte hätte so sein können und trotzdem wär's ne Schwierigkeit gewesen. Man hätte das nem richtigen Label vorspielen können und die hätten gesagt: 'Toll! Aber schwieriges Thema...' Und durch diese Castinggeschichte... Dadurch dass die Leute angerufen und mich dann ne Runde weiter gewählt haben, sind das ja die, die dann auch eventuell ne Platte kaufen. Und das ist dann Beweis genug für so ne Plattenfirma, dich unter Vertrag zu nehmen. Man geht ja heutzutage kein Risiko mehr ein und kurz vor 30 war das jetzt noch mal die letzte Möglichkeit. Wenn's nun da nicht geklappt hätte, beim andern Casting hätte ich auch nicht mitgemacht. Dann hätt ich entweder erstmal meine Songs nem Verlag angeboten als Autor einfach nur oder halt meinen Job als Tontechniker gemacht. Ich hatte schon n Angebot aus Südafrika, ich hab da schon 4 Wochen gearbeitet, und hätte dann erstmal 1, 2 Jahre in Südafrika gemacht.

Wer hat dir denn im letzen Moment gut zugesprochen?
Gregor: Mein Bruder meinte, dass sei ne gute Sache, das ginge um Musik und Musikalität und auch Freunde eigentlich. Die haben gesagt: 'Mach's einfach!'

Wie haben sich die Auftritte verändert vom Gefühl her seit dem ersten Fernsehauftritt?
Gregor: Vorher, die paar Minuten, die man mal andere Shows angeguckt hat, so beim durchzappen, da hat man überlegt:' Warum steht da jemand und weint im Fernsehen?' und in dem Moment wo du da mitmachst, weißt du warum das so ist, das ist wirklich so ne Ausnahmesituation. Du stehst da und weißt dass bei all dem was jetzt passiert sich dein komplettes Leben verändern wird oder nicht... Zwei Möglichkeiten. Bei mir hat's schon geklappt. Weil ich zum Beispiel gestern in Köln vorm komplett ausverkauften Laden gespielt hab, wo kein Kölschglas mehr reingepasst hat und das war der Oberknaller.

Das Leben verändert sich wahrscheinlich so oder so wenn du teilnimmst.
Gregor: Es gibt total viele Beispiele - sowohl positive als auch negative - von Leuten die irgendwann da mal mitgemacht haben als Protagonist und dann irgendwann mal wieder auftauchen. Da bleibt immer so ein furchtbarer Rattenschwanz, weil dass dann pseudomäßig das einzige ist wo man sich drauf aufhängen kann. Ich bin so froh dass sie Leute mittlerweile sagen: 'Das ist doch der Songwriter...'

Stefan Raab hat sich ja ein bisschen distanziert von DSDS?
Gregor: Das war auch ein bisschen so einen Rebellion. Guckt mal, wir nehmen Leute, die singen können und die nicht nur da draußen gut aussehen.

Also du wirst nicht verbogen und gestylt?
Gregor: Du wirst halt gepudert, weil sonst dein Kopf glänzt.

So soll es seinEs waren bei dir ja eigene Songs? Hätte man auch Coversongs singen können?
Gregor: Am Anfang hab ich einen Coversong gemacht, weil ich da nicht so ganz sicher war und dann hat der Stefan gesagt: 'Warum singst du keinen eigenen Song?' Alles klar.

Hier gibt's jetzt die nächsten Tage und Wochen DSDS - Dortmund sucht die Superband. Was würdest du den Musikern für Tipps mitgeben wollen?
Gregor: Das ist sehr schwierig. Das kommt auf die Musik drauf an. Ich glaube erstmal so authentisch wie möglich sein und nichts von nem Idol auf irgendne Art und Weise versuchen nachzuspielen, sondern einfach versuchen was eigenes zu machen. Da gibt's n ganz großes Motto: Entweder - das klingt vielleicht n bisschen arrogant - aber entweder man hat was oder man hat nichts. Man kann was vortäuschen, das funktioniert in ganz vielen Fällen, aber irgendwann kommt der Moment wo man sagt, ich mach mir die ganze Zeit was vor. Also entweder steht man gerne auf der Bühne und fühlt sich eben nicht beobachtet. Wenn nicht gerade die Leute vor einem stehen und sagen: 'Sing mal 'Ein Stern der deinen Namen trägt!'' Das kommt ja auch schon mal vor.

Und würdest du es machen?
Gregor: Selbstverständlich würde ich das nicht machen. 29 Jahre lang träume ich davon, meine Musik zu machen und du musst ja auf ner Bühne stehen. Das schöne ist, ich komm mir jedes Mal vor wie son lebendiges Kino. Ich komm da raus, ich bin aber so wie ich bin und kann einfach mit dieser Art Leute begeistern, oder dass ich so jedem der Leute sein individuelles Päckchen mitgeben kann. Die stehen da und die Leute schreien sich den Arsch ab und zwei Minuten später hat der Barkeeper Angst ne Flasche mit Kohlensäure aufzumachen, weil er denkt das wär jetzt zu laut. Ich werd dann halt einfach noch leiser als ich jetzt schon bin, so akustisch wie möglich. Das ist der Hammer, wenn du noch leiser wirst, wie die Leute reagieren, das ist so n ganz tolles Gefühl, Augen zu machen - Wahnsinn! Du weißt, dass 500 Leute vor dir stehen, aber du hörst es nicht.

Weil es auch authentisch ist?
Gregor: Ich halte es einfach für schwierig, wenn Leute was aufgesetzt bekommen, was nicht so unbedingt zu ihnen passt. Wenn sie damit zurecht kommen - supergeil! Wenn sie den Song toll finden: machen, machen! Aber wenn sie sich nicht wohlfühlen, bitte nicht auf ne Bühne stellen.

BackstageDas ist auch der Eindruck, den ich bekam als ich deine CD hörte: das ist authentisch, ehrlich, kommt von innen...
Gregor: Ich müsste Authentizität - das ist n ganz komisches Wort - erst nachgoogeln. Vielleicht kommt's aus dem Griechischen?

Machst du eher Auftritte als Singer / Songwriter oder hast du ne feste Band dabei?
Gregor: Es gibt quasi zwei verschiedene komplette Bands, damit wir das mit den Terminen hinkriegen. Ich hab die alten Jungs von früher mit eingebunden habe.

Ach ja, die Band Meyle.
Gregor: Genau! Bis auf den Schlagzeuger, der bei vielen Fernsehgeschichten mit dabei ist am Wochenende. Da gibt's immer ganz gut Kohle, da kann der seine Familie ernähren. Bei den Livegeschichten da gibt's halt zwei komplette Bands. Ich bin da sehr stolz drauf weil da so die Champions League am Start ist und ich kann beides machen: schließ nicht aus, dass unglaublich tolle Musiker mit mir spielen wollen - auf der andern Seite sind die alten Jungs mit dabei, die fleißig geübt haben, genauso wie ich auch. Ich bin mit beiden genauso gern unterwegs, neue Freunde, alte Freunde, es ist völlig egal. Es funktioniert blind, obwohl es teilweise Leute sind, die ich noch nicht so lange kenne.

Bleibt es denn zukünftig das Genre Balladen?
Gregor: Das Album ist jetzt fertig. In den zwei Jahren, das muss man sich so vorstellen, das ist so kurz vorm Ausbruch entstanden. Jetzt war der Ausbruch da und jetzt müssen wir nicht mehr auf irgendne Art und Weise drauf rumhacken, dass nichts passiert mit einem selbst. So "in the middle of life"... Was machste jetzt? Machste deinen alten Job, den du 12 Jahre gemacht hast weiter, bleibst aber nicht in Deutschland, geht nach Südafrika, oder versuchste mit Mucke noch mal was?

Wieso Südafrika?
Gregor: Weil's einfach komplett woanders ist, und weil's n unglaublich schönes Land ist, und weil ich für die südafrikanische Regierung gearbeitet hab während der WM. Die haben mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, für die Schulung machen wollte. Das hätt ich sehe gerne gemacht, weil die Menschen dir da einfach unglaublich dankbar sind, wenn du ihnen was beibringst. Und von denen kannste immer noch so viel schöne Sachen lernen.

Wenn du jetzt zum Beispiel nen Song schreiben würdest mit ner politischen Botschaft, wie könnte eine Zeile oder der Titel von so einem Song lauten?
Gregor: Was ist hier los?

Fans FriedensplatzUnd wenn du dich mal so richtig über jemanden ärgerst?
Gregor: Ich hab einen neuen Song, der heißt 'Irgendwie' und der Refrain ist 'Irgendwie scheinst du immer der Arsch zu sein' und keine Angst vor Fäkalsprache, wenn's am richtigen Punkt genutzt wird. Vom Oberstudienrat bis zum Gehirnchirurg, jeder denkt das irgendwann mal. So eine Feststellung 'why does it always rain on me'? Ich bin so ein Mensch, der sich gerne selbst an die Nase fast und praktisch fragt: 'Woran liegt's? Was mach ich falsch? Komm ich mit nem Typ nicht zurecht, ok, dann geh ich erst mal aus dem Weg.' Also ich muss keine Konfrontation aus irgendeiner Rebellion eingehen. Ich spiel dann lieber Fußball und hol alles aus mir raus und kämpf auch wie n Wahnsinniger. Und politisch gesehen - was sagen ist toll, aber was machen ist in dem Fall viel wichtiger. Und wenn ich mit den Leuten auf ne andere Art und Weise was mache, dass die sich erst mal bewusst sind über das Leben, dass sie in einem gewissen Luxus leben hier in Deutschland, dann kann man mit den paar hundert, die auf Konzerte kommen - also das soll jetzt kein Sekten-Scheiß sein - aber ich geb von mir alles, und die Leute denken dann so was wie: 'Es geht im Leben um viel mehr als Schuhe kaufen...' Das ist das, was mir Freunde erzählen oder Leute, die auf fünf, sechs Konzerten hintereinander waren.

Du hast gerade gesagt: '...dann geh ich Fußball spielen...' das ist ja momentan das Thema. Ist das auch n Hobby von dir?
Gregor: Absolut, ich hab jetzt angefangen zu joggen, weil ich auch irgendwas machen muss. Ich hab früher sehr viel körperlich gearbeitet und von jetzt auf gleich nicht mehr, und da muss man irgendwas tun. Da ist schon was dran an diesem ganzen asiatischen Zeug. Wenn man körperlich nicht ausgelastet ist... das muss schon zusammen sein. Es gibt nichts schöneres als dir tut alles weh, beim Fußball: deine Lunge liegt noch aufm Platz, und du sagst: 'Jungs, ich bin froh, dass ich die Kneipentheke erreicht habe.' Da trinkst du ein schönes Radler, fährst nach Hause, dir tut alles weh und du denkst 'Warum mach ich die Scheiße eigentlich?' So typisch Mann, aber ich mach das sehr gerne. Weil du einfach mal Gas geben wolltest, und das nicht an irgendnem Typ auslassen wolltest. Gibt ja Leute, die ne Schlägerei anfangen, weil sie übermotiviert sind, bei mir ist es so: ich schreib halt Songs und spiel Fußball. Da gibt's so ne Mannschaft wo viele andere B, C, D, E, F, G-Prominente dabei sind und die wissen alle, dass es hier nicht darum geht, jemanden umzuhauen. Kampfeswillen schon, aber superfair.

Wen tippst du als jeweils Gruppenersten und -zweiten und evtl. als EM-Sieger?
Gregor: Bin mal gespannt, so was hab ich noch nie gemacht. (zu Gruppe C) Oh, das ist ja ne heftige Gruppe!
Später tippten dann noch Jens (Schlagzeuger von ZOOKEY) und Tine (Sängerin der LEBENDEN LEGENDEN)

  
           
    Gregor          
   Jens                   Tine                            
   tatsächl. Ergebnis  
A 1
A 2
B 1
B 2
C 1
C 2
D 1
D 2

Sieger

   Portugal
   Türkei
   Deutschland
   Kroatien
   Italien
   Frankreich
   Spanien
   Griechenland

   Portugal

   Portugal
   Tschechien
   Deutschland
   Kroatien
   Rumänien
   Italien
   Spanien
   Griechenland

   Deutschland
 
   Portugal
   Türkei
   Deutschland
   Polen
   Niederlande
   Frankreich
   Spanien
   Schweden

   (leider) Niederlande
   gegen Deutschland
   Portugal
   Türkei
   Kroatien
   Deutschland
   Niederlande
   Italien
   Spanien
   Russland

   ???

Was würdest du dir für die Stimmung im Land wünschen?
Gregor: Frauen mit Fußballtrikots, das finden Männer ganz toll. (lacht) Nee, wir spielen bei fast jedem Deutschlandspiel mit der Band, vorher oder nachher. Wir haben es ja durch die WM gelernt, dass man stolz sein kann auf sein Land ohne jemand anders platt zu machen oder zu verprügeln. Solidarität, und ich find's natürlich super, dass die Nationalgalerie zur Hälfte aus Schwaben kommt, die Spieler die au bei uns au mitspiele... (Gregor schwäbelt spontan los und imitiert hervorragend Jogi Löw) Wir haben mal 'au's in einem Interview gezählt und kamen auf 206 !

Was wolltest du denn schon immer mal im interview gefragt werden und niemand hat gefragt?
Gregor: Oh, das ist ne sehr gute Frage. Respekt! Also wenn ich jemand interviewen würde, würde ich fragen, warum er das macht. Oder was vielleicht sein größtes Ziel ist.

Dein größtes Ziel: Teilnahme beim Grand Prix?
Gregor: Ja! Das wär's absolut. Ich würde auch exakt so Sachen anziehen wie die anderen Protagonisten auch. Ich hab ja schon bei einer Casting-Show mitgemacht und deswegen muss nicht noch ne europäische dazukommen finde ich. Es kann ja passieren, dass jetzt Leute kommen und sagen: 'Wir als Land finden dich gut. Warum machst du das nicht? ' dann würde ich sagen: 'Ok, Leute, wenn ich irgendwas dafür tun kann, dass ihr euch besser fühlt, und ich kann's probiern, dann mach ich das.' Aber ich mach das nicht um mich in irgendner Art und Weise zu profilieren. Es ist ne Veranstaltung wo es um Showeffekt geht. (Wir diskutieren - ein bisschen auf Abwegen - den Grand Prix, besonders den letzen gerade stattgefundenen.) Gregors Fazit: Wenn ich da antreten würde, ich würd's unpompös machen. Mit Gitarre und Akkordeon oder so...

Famous Last Words:
Gregor: Erstmal dass ich sehr glücklich bin mit der Situation, dass ich lange dafür gekämpft habe und das es keinen schöneren Beruf gibt als den, den ich gerade ausübe (trotz aller auftretenden Schwierigkeiten). Gregor erklärt dann noch an einem Beispiel, dass man Menschen auch Mut machen und helfen kann mit seiner Musik, dass er Erfolg erfährt auch ohne die von den Plattenfirmen immer verlangte Plakativität und kommt zu dem Schluss: Es fängt gerade erst an...
Vielen Dank an Gregor!

Links:
www.myspace.com/gregormeyle
CD-Review bei unruhr: Gregor Meyle, So soll es sein

Drucken