Radfahren mit Fräulein Nina

Verfasst von Fräulein Nina am .

Radfahren mit Frl. NinaErfindungen wie Autos und Fahrräder sollen eigentlich der vereinfachten Fortbewegung dienen. Hierfür ist nicht nur die technische Ausstattung der Fahrzeuge, sondern auch eine gewisse Grundkompetenz in ihrer Bedienung nötig, oder, falls die fehlt, erweiterte Gerätschaften und Sicherheitsvorrichtungen, die in Gefahrensituationen schützen.
 

Meinen Helm bekomme ich als wohlgemeinten Rat eines guten Freundes geschenkt. Das allerdings erst nachdem ich mit dem Rad in einer Straßenbahnschiene stecken bleibe. Auf dem Weg zum Westpark befahre ich die Rheinische Straße und bin so damit beschäftigt, die Linksabbiegung mit 'Arm raus halten' zu koordinieren, dass ich den Fahruntergrund aus den Augen verliere. Sekunden später, nach der Vollbremsung eines von hinten heranrauschenden Autos, habe ich ausgiebig Zeit,  alle Viere von mir gestreckt,  den Asphalt näher zu betrachten. Eigentlich bin ich ja noch so müde vom nächtlichen Caipirhina. So entscheide ich mich, noch eine Weile so liegen zu bleiben, als der Autofahrer mich anbrüllt, ob auch alles in Ordnung sei, was ich bejahe, ohne mich aus meiner bequemen Lage zu befreien. 

Eine herbeieilende Studentin zieht mein neues Fahrrad unter mir weg, das mir ein Freund in seiner Wohnung bei geschlossenen Fenstern Gold angesprüht hatte. Eine tolle Freundschaftsbekundung für einen Schwerstasthmatiker. Fahrrad und Lebensgefahr, das gehört scheinbar zusammen.
An meinem Goldesel ist nun allerdings der Lack ab. Was mich und eventuelle Hautschürfungen betrifft, kann ich keine Angaben machen, als die Helferin nach meinem Befinden fragt. Wie in Trance lasse ich mich von ihr an den Gehsteig führen und auf eine Bank setzen, als mir plötzlich ziemlich schlecht wird. Sie sucht mich nach Unfallspuren ab, betrachtet meine Arme, fährt sich mit den Händen in die Haare und stößt einen entsetzlichen Laut von sich: 'Du blutest, das sieht ja schlimm aus!' Die Entscheidung fällt schnell, ich müsse zum Arzt, mich durchchecken lassen.

Mit Blick aus dem Wartezimmer auf die Unfallstelle wiederhole ich immer wieder den Satz: 'Und dann kam das Auto und mein Reifen geriet in die Schienen und da habe ich auf der Straße gelegen, oh mein Gott!' Verängstigt und unter Schock stehend, fürchte ich einen Blick auf meine schweren Verletzungen. Den Arm halte ich anklagend den wartenden Patienten hin, bis ich nach 20 Minuten Wartezeit den Aufstand an der Empfangstheke probe. 'Ich hatte einen Fahrradunfall, ich muss jetzt sofort zum Arzt, ich weiß nicht, wie schlimm ich verletzt bin!' Die Sprechstundenhilfe entgegnet , es täte ihr leid, sie könne noch nichts für mich tun, es hätte einen akuten Notfall gegeben, ein Patient habe während der Behandlung einen Herzinfarkt erlitten und der Arzt bliebe  noch so lange bei ihm, bis der Krankenwagen eintreffen würde. 'Ich bin auch ein Notfall, ich habe einen Schock und könnte auch gleich daran sterben. Dass da schon ein anderer einen Herzinfarkt hat, da kann ich keine Rücksicht drauf nehmen!', ziehe ich schimpfend mit Äußerungen über 'Rechtsanwalt und unterlassene Hilfeleistung' ab. 'Mein Bruder ist ja Feuerwehrmann' fällt mir da ein, ich telefoniere ihn herbei, er kommt schnell mit dem Auto angefahren und packt mein kaputtes Fahrrad in den Wagen. Er schaut sich meinen Arm an und sagt: 'Kannst jetzt mal aufhören mit der Hysterie, da ist nichts.' Trotzdem bestehe ich darauf, dass er mich mit zu sich nach Hause nimmt und für 24 Stunden beaufsichtigt, falls ich noch eine körperliche Krise erleide, vor allem aber ist mir wichtig zum TV-Schauen der Tour de France Gummibärchen und Kaffee in Massen gegen den Schock - oder war´s doch der Kater - gereicht zu bekommen. Vielleicht war es ja auch nur die Anhäufung von diversen Fahrradunfällen der letzten Jahre, die mich plötzlich so ängstlich machen, dass ich Beaufsichtigung und weitere Sicherheitsvorkehrungen als notwendig erachte. Ich erinnere mich an einen Versuch, vor einer roten Ampel stehend, auf dem Rad sitzend Halt an der Laterne zu suchen, was nicht gelingt, da ich daran vorbeigreife. Oder an das Klappfahrrad, das sich während der Fahrt von ganz alleine wieder zusammenlegte und ich dann eingeklemmt war. Allemal gilt seither: Helm auf!

Wie es richtig geht:

Drucken